Ein Scholl-Schüler wird Uni-Rektor
Die Rektorin der Westfälischen Wilhelms-Universität, Prof. Dr. Ursula Nelles, wird im Herbst ihren Arbeitsplatz verlassen. Allerdings nur für einen Tag. Und dann wird auf dem Chefsessel ein Schüler oder eine Schülerin des Geschwister-Scholl-Gymnasiums Platz nehmen.
Der Sozialwissenschaftskurs der Lehrerin Rita Schumacher, bestehend aus dem gemeinsamen Einführungsjahrgang mit Schülern der Klassen zehn und elf, hatte sich erfolgreich bei der Schulaktion „Chef für einen Tag“ beworben. „Drei Gymnasien aus Münster hatten eine Bewerbung abgegeben“, berichtet Susanne Theisen-Canibol, „die der Geschwister-Scholl-Schule hat uns am meisten überzeugt.“
Gestern lernten die Schüler Ursula Nelles schon einmal kennen. Sie besuchte die Klasse und stellte sich den Fragen der Jugendlichen. Bevor nun allerdings jemand einen Tag als Rektor der Universität tätig sein darf, wartet eine anstrengendes Auswahlverfahren. Der gesamte Kurs wird im Oktober für ein Wochenende von der Personalberatungsagentur Odgers Berndtson, die gemeinsam mit der Stiftung Lesen und dem Wirtschaftsmagazin Focus Money die Aktion „Chef für einen Tag “ veranstaltet, nach Frankfurt eingeladen. Diese Agentur sucht für große Unternehmen Führungskräfte und wird sich nun den Scholl-Schülern widmen. „Einfach wird es nicht“, versichert Dr. Jörg Knaack von Odgers Berndtson.
„Wir prüfen ganz genau, wer Chefqualitäten vorweisen kann.“ Dazu gehören Motivation und Können. Zum Test gehöre ein Leistungs-, ein Persönlichkeits- und ein Intelligenztest. Außerdem werde die Biographie überprüft. „Wir werden einen geeigneten Kandidaten für die Stelle finden“, ist Knaack überzeugt. Die gesamte Klasse werde von diesem Test profitieren, weil dabei jeder ein wenig mehr über sich selbst erfahren werde. Für Ahmed Khechen ist gerade dieses Auswahlverfahren die Motivation, bei der Aktion mitzumachen: „Ich erhoffe mir ein gutes Feedback über meine persönlichen Stärken und Schwächen.“
Ursula Nelles gab den Schülern einen Einblick in ihren Aufgabenbereich: „Mein Beruf ist vielfältig und multifunktional. Die Strukturen einer Uni gleichen eher einem Biotop als denen eines Unternehmens.“ Für die Inhalte der Fachbereiche sei sie nicht zuständig, erklärte sie, das könnten nur die Experten selbst. „Deshalb werden die Dekane der Fachbereiche bei uns auch Kurfürsten genannt, weil sie in ihrem Laden das Sagen haben“, erklärte Nelles mit einem Augenzwinkern.
Zu ihren Aufgaben gehöre es Verhandlungen mit Professoren zu führen, sie zu ernennen und mit den Gremien die wichtigen Anliegen zu besprechen. „Mein Amt gleicht eher dem einer Vorstandsvorsitzenden.“
Was auf ihren eintägigen Stellvertreter zukommt, kann Nelles jetzt noch nicht sagen. „Ich hoffe, dass ich an diesem Tag bei einer Rektoratssitzung vertreten werden und der Schüler Ernennungen von Professoren vornehmen kann.“
Eines kann sie allerdings versichern: „Der Tag beginnt relativ angenehm, denn der Schüler wird in aller Frühe von Zuhause mit dem Dienstwagen abgeholt. Der Arbeitstag endet aber wahrscheinlich erst so gegen 21.30 Uhr und dann wird mein Stellvertreter ganz sicher ziemlich platt sein.“
Trotzdem freuen sich die Schüler auf die Aktion und sind alle gespannt, wer das Rennen macht und einen Tag als Rektor der Uni arbeiten darf.
VON MARION FENNER, WN MÜNSTER
