Erstwähler fragen Politiker: Und was ist mit Tempo 130?
KINDERHAUS Polenz, Klein-Schmeink, Bahr und Strässer – das sind Namen, mit denen die wenigsten Schüler und wohl auch nicht allzu viele Erwachsene etwas anfangen können. Die Erstwähler im Kinderhauser Geschwister-Scholl-Gymnasium sind da aber schon ein anderes Kaliber: Sie hatten sich bestens auf die Werbetour der politischen Wahlkreisvertreter vorbereitet und stocherten im Programmdickicht.
Burak Cetinkaya spricht die Sprache der Polit-Prominenz fließend – zum Auftakt der Podiumsdiskussion rund um Wirtschaft, Bildung und Soziales schafft der Schülermoderator gleich mal ein wenig Nähe zu den sonst so fernen Gästen: „Schön, dass ihr hier seid!“, duzt er vor versammelter Oberstufe, Rektor Heinz Beumer und Mitmoderatorin Franziska Fischer die Vertreter von CDU, Grünen, FDP und SPD.
Das ist für sie aber in Ordnung, schließlich wollen sie ihre Parteiprogramme heuer ja auch möglichst jugendgerecht vermitteln. Müssten sie aber gar nicht. Denn später folgende Fragen zu Niedriglöhnen, zur Rente mit 67, zu Zivilcourage oder Tempolimits zeigen, dass hier auch altersfremde Themen durchaus interessieren.
Wenige Seitenhiebe
Die Eröffnungsszenerie: Auf jedem Stuhl liegen bunte Flyer von Daniel Bahr (FDP) und Ruprecht Polenz (CDU), an der Seitenwand die Kurzporträts von Maria Klein-Schmeink (Grüne) und Christoph Strässer (SPD). Ein erster, sanfter Hinweis auf etwaige Koalitionen im Bund? Schon deutlicher werden die Politiker dann im Frage-Antwort-Block. Dass Schwarz-Gelb und Rot-Grün angestrebte Lösungen seien, wird nicht nur angedeutet, sondern klar gesagt. Trotz Strässers Anmerkung: „Lassen Sie sich nicht verunsichern, Sie wählen nur eine Partei und keine Koalition.“
Kreuzchen gemacht
Die Wahlprogramme scheinen den meisten Schülern bekannt; die eigenen Antworten den Politikern nach unzähligen Vor-Wahl-Gesprächen allerdings auch. Nur selten kommt es im Podium daher zu Diskussionen, einzig Sprechzeiten werden angemahnt, ab und an auch mal ein Seitenhieb gesetzt. Befriedigende Antworten bleiben für manche Schüler dennoch auf der Strecke.
Sparsamkeit als Allheilmittel gegen Neuverschuldung? Mehr Kinder für mehr Rente? Eine Gegenfrage (Polenz: „Wie lange muss man arbeiten, um 80 Jahre leben zu können?“) als Antwort auf die Verrentungszeit? Am Ende aller Fragen und nach rund zweistündiger Anhörung machen die Schüler ein Kreuzchen auf ihrem Wahlzettel – für die Partei, nicht für den Politiker.
Immerhin hinterließen sie alle einen guten Eindruck, einen besseren – vielleicht ob seines Alters – Daniel Bahr. Immerhin beherzigte der FDP-Mann diesmal die Ermahnung vom Vorabend (in der ARD-Sendung „Hart, aber Fair“), doch mal „etwas entspannter“ zu sein. Ob ihm die lockere Weise genützt hat, wird sich in der nächsten Woche zeigen, wenn die Stimmzettel der Schüler ausgewertet sind. Dass allerdings jenem Erstwähler, dem Geschwindigkeitsbegrenzungen auf Autobahnen offenbar große Sorge bereiten, mit einem Lächeln die Heimfahrt angetreten hat, darf bezweifelt werden.
Marc Geschonke, MZ. 18.9.2009