Fremd, aber nicht fern

Scholl-Schüler forschen in der Vergangenheit ausländischer Mitbürger

KINDERHAUS/COERDE Früher galt jeder Nicht-Münsteraner als fremd in der Stadt. Heute steht "Fremde" hier jedoch vor allem als Synonym für Ausländer.

Seit Januar suchen 16 Jugendliche des Geschwister-Scholl-Gymnasiums in ihrer Freizeit nach Orten der Migration in Münster. Betreut werden sie bei diesem Projekt im Rahmen des Landeswettbewerbs "Archiv und Jugend" von ihren Lehrerinnen Ingrid Bröker und Gisela Pauge sowie von Ingrid Fisch und Roswitha Link vom Stadtarchiv.

"Ziel des Projekts ist ein virtueller Stadtplan im Internet, in dem Orte gekennzeichnet werden, die mit der Geschichte von Fremden in Münster zu tun haben", erklärt Ideengeberin Roswitha Link. Sie hatte auch die Jury des Landeswettbewerbs von dem interkulturellen Forschungsprojekt überzeugt. Die Orte werden von den Jugendlichen aufgesucht und mit aktuellen und historischen Bildern in einer abschließenden Präsentation dargestellt. Hinzu kommen Texte, die die Geschichte des Ortes und der Menschen, die dort gelebt und gearbeitet haben, erläutern.

Wer, Wie, Wo, Warum

Die Gruppe besteht aus Jugendlichen mit und ohne Migrationshintergrund. "Wer, Wie, Wo und Warum" seien die Fragen, mit denen sich die jungen Spurensucher beschäftigten, erläutert Fisch. Welches Thema sie wählen, bliebe jedoch ihnen überlassen. Noch befinden sich keine Markierungspunkte in dem Stadtplan. "Aber viele Stellen sind denkbar und einige Einrichtungen auch schon bekannt, die durch die Mithilfe von Fremden in Münster zu dem geworden sind, wie wir sie heute kennen", so Link.

Bislang sammelten die Schüler erste Informationen und verschafften sich einen Überblick über die Geschichte von Fremden in Münster in der Vergangenheit und Gegenwart. So besuchten die Siebt- bis Zwölftklässler bereits den Dezernenten für Aussiedler-, Flüchtlings- und Asylbewerberangelegenheiten der Stadt Münster, Jochen Köhnke. Jetzt soll es mit Fallbeispielen konkret werden: Daher sucht die Gruppe Menschen, die ihnen mit persönlichen Informationen helfen können. Erste angedachte Themen sind die Geschichte der "Brücke", die des portugiesischen Zentrums, die eines Frisörs mit Migrationshintergrund und die der Künstlerfamilie Mazzotti. Die Schüler möchten sich aber auch intensiv mit den Themen Gastarbeiter und Asylanten beschäftigen. Die Befragung von Zeitzeugen ist ein Schwerpunkt des Projekts.

Orte erforschen

Denn: "Die Interviews ergänzen das vorhandene archivische Material oder müssen es in vielen Fällen auch ersetzen, wenn wenig oder sogar kein schriftliches überliefertes Material vorliegt", so Ingrid Fisch.

Doch solche Gespräche müssten mit den Projektteilnehmern sehr gut vorbereitet und geübt werden, um zu verwertbaren Ergebnissen zu kommen. Daher probten die Schüler das Führen von Telefoninterviews mit Fisch, die eine italienische Eisdielenbesitzerin mimte. Die Interviews sollen später auf Bild- und Tonträgern festgehalten werden. Viele kleine und große Orte in Münster warten noch auf ihre Erforschung, so die Archivare.
(Christiane Schräder, MZ 24.4.2008)

Viel Arbeit: Die Jugendlichen des Scholl-Gymnasium forschen aber nicht nur im Stadtarchiv, sondern führen auch weniger "staubige" Telefoninterviews.