Kein Vertrauen zum Nachbarn

Israels Botschafter Shimon Stein im Gespräch mit Schülern des Geschwister-Scholl-Gymnasiums

Münster-Kinderhaus. Sicherheitsstufe eins am Geschwister-Scholl-Gymnasium. Erwartet wird der israelische Botschafter. Kurz vor seinem Eintreffen beginnt die nächste Schulstunde, alle Jugendlichen verschwinden in den Klassen. Rasant fährt die Limousine der Bodyguards vor. Direkt bis unter die Fenster des Musikraums, denn dort war gestern Shimon Stein zu Gast. Er entsteigt dem zweiten Wagen: ein still und bescheiden wirkender Mann, der die korrekte Anrede „Seine Exzellenz" sicherlich nicht einfordern würde.
Artig schütteln ihm Abgesandte der Schülervertretung die Hand. Noch scheinen sie dem Botschafter gegenüber schüchtern zu sein. Aber als nach seinen eröffnenden Worten über die wichtigen Etappen in der konfliktreichen Geschichte Israels die Fragerunde beginnt, zeigt sich das selbstständige und hinterfragende Denken der Gymnasiasten.
„Warum ist Israel 1982 in den Libanon einmarschiert?", möchte der Erste erklärt haben. „Halten Sie den Einsatz von Massenvernichtungsmitteln für moralisch richtig?", kommt gleich danach.
Der Botschafter antwortet stets ruhig, wirkt dabei zugleich betroffen von den ernsten, bedrohlichen Geschehnissen, über die er spricht. Seine Darlegungen sind differenziert, keine schlaglichtartigen Parolen. Er liefert eingehende Betrachtungen - allerdings aus einer für die Schüler ungewohnten Perspektive.
Denn die jungen Zuhörer sind nach der Zeit des Kalten Kriegs aufgewachsen, lebten bisher zum Großteil im friedlichen Europa. „Das Phänomen der Selbstmord-Attentäter ist Ihnen in Münster nicht bekannt, aber für uns in Israel ist es Alltag", versucht
Shimon Stein Verständnis für die völlig andere Ausgangslage zu wecken. Er holt den Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern auf eine nachvollziehbare Ebene: "Alles fängt damit an, dass man kein Vertrauen zum Nachbarn hat. Wenn das nicht gegeben ist, baut man einen Zaun, um sich zu schützen."
Seine Hoffnung auf einen Prozess der Vertrauensbildung, der es möglich mache, das Kämpfen einzustellen, wurde am Ende der 90-minütigen Veranstaltung deutlich. Noch bevor Shimon Stein seine Abschiedsworte sprechen konnte, brach kräftiger Applaus durch. Die Schüler hatten einen Mann erlebt, der die Interessen seines Landes so darstellt, dass auch Kritikern das Mitdenken möglich ist.
Schulleiter Heinz Beumer zeigte sich beeindruckt von dieser außergewöhnlichen Geschichtsstunde, die dank des privaten Kontakts von Herbert Holtrup, Nachbar des Gymnasiums, zustande kam. (Ellen Bultmann, MZ, 7.6.2007)