Umfrage belegt: Die Nachfrage nach G9 ist groß

„Wir wollen unser Kind nicht dem Druck des Turbo-Abiturs aussetzen“, „wir wollen weniger Stress und ein entspannteres Lernen für unser Kind“ – diese Sätze haben einige Schulleiter in NRW in letzter Zeit immer wieder gehört. Von Eltern, die ihre Kinder für eine neunjährige (G9), statt der üblichen achtjährigen Gymnasialzeit (G8) angemeldet haben.

Möglich ist das ab dem kommenden Schuljahr an 14 Gymnasien in NRW. Mit dem Modellversuch reagiert NRW-Schulministerin Sylvia Löhrmann auf die heftige Kritik von Eltern und Schülern an G8. Die Nachfrage nach G9 ist groß, wie eine Umfrage unserer Redaktion ergab.

    * Am Geschwister-Scholl-Gymnasium in Münster haben sich mit 85 Schülern mehr als doppelt so viele Fünftklässler für G9 angemeldet wie im Vorjahr für G8. Die Kinder kommen nicht allein aus der Stadt Münster, sondern auch aus dem Kreis Steinfurt.

    * Mit 89 Anmeldungen für G9 verzeichnet das Schalker Gymnasium in Gelsenkirchen ein Drittel mehr Anmeldungen im Vergleich zum Vorjahr (G8). Laut Schulleiterin Angelika Phillip wurde hier häufig auch als Grund genannt: „Wir wollen, dass unser Kind noch genug Freizeit hat, um ein Instrument zu lernen oder sich in der Gemeinde zu engagieren.“

    * 78 Schüler starten nach den Sommerferien am Essener Gymnasium Borbeck ihre Abitur-Laufbahn. Im Vorjahr waren es nur 58.

    * Die Carolinenschule in Bochum, eine Ganztagsschule in privater Trägerschaft, startet ab dem Sommer mit zwei G9-Klassen. „Die Nachfrage ist riesengroß“, sagt Claudia Hossiep, Vertreterin des Schulträgers, der Schul- und Bildungswerkstatt gGmbH.
    * Am Gymnasium Petrinum in Dorsten, das G8 und G9 parallel anbietet, haben sich 52 Kinder für G8 und 87 Kinder für G9 angemeldet. Mit 139 Anmeldungen insgesamt ist die Zahl – trotz demografisch bedingter rückläufiger Schülerzahl in Dorsten – um 32 im Vergleich zum Vorjahr gestiegen. „Das liegt ganz klar an G9“, so Schulleiter Wolfgang Gorniak. Und die Anziehungskraft von G9 reicht bis in andere Städte. So kommen die neuen Schüler nicht nur aus Dorsten, sondern auch aus Recklinghausen oder Bottrop.

„Diese Zahlen zeigen doch eindeutig den Widerwillen der Eltern gegen das Turbo-Abitur“, kommentiert Ilse Führer-Lehner, bildungspolitische Referentin der Lehrergewerkschaft GEW. „G8 funktioniert nicht.“

Ganz anders sehen das der Philologenverband (Vereinigung der Gymnasiallehrer) und die Landeselternschaft Gymnasium. „Wir haben bei G8 das schlimmste überstanden“, so Barbara Kols-Teichmann, Geschäftsführerin der Landeselternschaft. „Dieser G9-Schulversuch bringt nur Chaos.“

Das widerrum bewertete ein Elternpaar anders, das sein Kind am Borbeck-Gymnasium in Essen angemeldet hat: „Gottseidank gibt es wieder G9.“


Susanne Linnenkamp, MZ Münster